Eichstetter Mundart
In Eichstetten ist die häuslich, dörflich und regional verwendete Sprache noch überwiegend das Alemannische. Dieser Dialekt wird vom Elsass über Südbaden und die Schweiz bis nach Vorarlberg gesprochen; die Sprachwissenschaft zählt auch das Schwäbische dazu. Der alemannische Dialekt weist viele regionale und örtliche Unterschiede auf. Man findet in jedem Kaiserstuhlort unterschiedlich viele markgräflerische, schweizerische Elemente und andererseits elsässische, ortenauische Einflüsse sowie Parallelen zum Schwarzwald vor. Die Mischung ist in jeder Ortschaft anders. Trotz dieser Buntheit ist es aber übertrieben, wenn manchmal gesagt wird, die im Nachbardorf sprächen einen ganz anderen Dialekt. Es gibt nur weniges, was man ausschließlich in dem oder dem Dorf sagt. Die Mundarten der Dörfer sind vielfältig miteinander verwoben. Die Verwandtheit der Sprache geht auch in die Ferne. Ein Kaiserstühler versteht die Alemannen bis in die Vogesen, an den Alpenrand und an den Bodensee mit Leichtigkeit und wird leicht verstanden Schwierig wird es erst bei den alemannischen Alpenmundarten, doch auch jene versteht ein Kaiserstühler allemal leichter als jemand, der nur des Hochdeutschen mächtig ist. (Harald Noth)
In der Ortschronik "Eichstetten - Die Geschichte eines Dorfes", Band II, finden sich zwei Aufsätze zur Eichstetter Mundart:
- Karl Schmidt: Hebräisch-jiddische und rotwelsche Ausdrücke im Eichstetterischen, S. 165 - 188 (PDF-Datei)
- Harald Noth: Die Eichstetter Mundart, S. 303 - 326
Fachartikel
1.) Sprache und örtlicher Volkscharakter
Als die Gemeinde Eichstetten ein Kapitel über den örtlichen Dialekt in ihre Chronik aufnahm, hatte das eine besondere Bedeutung. In allgemeinen Geschichtsbüchern, etwa über Deutschland, fehlt meist ein Kapitel über die Sprache. Warum meint ein Dorf oder seine Repräsentanten, dass ein Kapitel über die örtliche Mundart nicht fehlen darf? Die deutsche Standardsprache ist in sicheren Händen, sie wird an den Schulen gelernt, in den Medien und an den Rednerpulten gepflegt und auch ihre Geschichte wird an höheren Schulen und Universitäten gelehrt. Die Sprache eines Dorfes dagegen, die eng mit seiner Geschichte verbunden ist und aus ihr resultiert, bleibt dem Zufall überlassen. Wo sich nicht ein paar Idealisten finden, um sie in der Öffentlichkeit zu pflegen, verkümmert sie in unseren Tagen, in denen viele Kinder in die Stadt zur Schule fahren und Radio, Fernsehen, Hörspielkassetten, CDs täglicher Gast in den Wohnstuben und Kinderzimmern auch im kleinsten und hintersten Gässlein sind. Andererseits spüren viele mit dem Dorf und seinen Menschen verbundene Bürger, nein, spürt jeder, dass die Sprache ein Stück unseres Selbst, ein Stück Dorf und Heimat ist, ohne das das Leben nicht mehr sein würde, wie es einmal war. Ob es ohne diese Sprache schlechter wäre, darüber werden die Meinungen auseinandergehen.
Im Elsass stellt sich die Frage noch viel schärfer. Der Dichter André Weckmann lässt dort ein Kind eine der möglichen Antworten gegeben, es sagt zur Mamama (Großmutter):
Mamama, wann d nimm do bisch
wer singt no mit uns kinder
in unsre alte sprooch ...
Mamama, wann d mol furtgehsch
läit mr di ins diefe loch
un unsri sprooch dezüe ...
Mamama, wann d nimm do bisch
no wurds im Elsass winter
un niemols meh friejohr ...
Wie sehr die örtliche Sprache mit den Menschen verbunden ist und wie viel sie über sie aussagt, versuchte schon in den 30er Jahren Albert Hiß in seiner Arbeit über die Flurnamen Eichstettens anzudeuten. Er stammt aus einer hiesigen Familie und schreibt in seiner Doktorarbeit:1 „Ohne daraus voreilige Schlüsse zu ziehen, dürfen wir feststellen, daß sich auch in den Flurnamen der Charakter der Eichstetter Bevölkerung widerspiegelt: der Bauer jener Gegend ist nüchtern und praktisch, dennoch aber naturverbunden.“ Nüchtern und praktisch dünkt Hiß die Art, wie die meisten Flurnamen gebildet sind - als zusammengesetzte Wörter wie ‘s Längedal’, ‘dr Wannebärg’, ‘d Mihlmatte’, ‘d Aumihli’ (meist ‘Ackermannmihli’ genannt), ‘d Bärgkinzg’2 (1954 bei der Umlegung im ‘Eichelaub’ untergegangen) usw. Solche Bezeichnungen lassen sich beliebig oft bilden. Das ist, wie wenn man ein Kind mit Blondschopf, Krummbein oder Jakobsohn bezeichnet. Diese Namen gibt es sogar dreigliedrig: ‘s Wannebärgpfad’ oder ‘s Katzestriigelpfad’3, ‘d Längedalkinzge’4, ‘dr Aumihlibach’ usw. Eher selten sind einfache Namen wie ‘d Au’. Dieses Wörtlein bedeutet eigentlich ein feuchtes Wiesenstück, die Eichstetter Au ist heute freilich trocken. Zu den einfachen Namen gehören auch ‘s Nohl’ (Nohl = Erhöhung, Buckel) und ‘dr Rämbe’ (Rempen = steile Böschung, Rand einer Anhöhe, „Rampe“). Das ist, wie wenn man einem Kind den Namen Franz, Jakob oder Maria gibt (was ja auch eine Bedeutung hat). Das sind selbständige Wörter, die das Gelände speziell bezeichnen. Weil dieser Typ von Wörtern selten ist, spricht Hiß vom „Fehlen schöpferischer Namensgebung“. Es ist für ihn ein Indiz für einen anderen Aspekt der Geisteshaltung der alten Eichstetter. Schließlich bescheinigt Albert Hiß dem Eichstetter Bauern auch einen konservativen Zug: „Daß er, wenn er es als zweckmäßig und gut erkennt, am Alten festhält, beweist die verhältnismäßig große Zahl von altüberlieferten, bis zu 600 Jahre alten bestehenden Flurnamen.“ Seit der Arbeit von Albert Hiß sind über 70 Jahre vergangen und die moderne Entwicklung ist gewiß nicht ohne Spuren an den Eichstettern vorbei gegangen. Aussagen wie die von Hiß können einem plausibel scheinen oder nicht, beweisbar wie eine mathematische Rechnung sind sie nicht. Wenn man sich aber zumindest eines vagen Eindrucks nicht entziehen kann, dass die Sprache den Volkscharakter zum Ausdruck bringt, so kann man auch nicht für abwegig halten, dass der Volkscharakter mit durch die Sprache gebildet wird. Ich meine daher, dass der Eichstetter Dialekt Generation um Generation daran beteiligt ist, den besonderen örtlichen Charakter der Menschen zu bilden.
Harald Noth
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1 Hiß, Albert: Die Flurnamen von Eichstetten am Kaiserstuhl, Heidelberg 1940, in: Fehrle, Eugen (Hg.): Badische Flurnamen, Band II Heft 6.
2 Betonung (Hauptton) auf - kinzg.
3 Betonung jeweils auf -pfad.
4 Betonung auf -kinz-.
2.) Eichstetterisch im 19. Jahrhundert
3.) Eichstetter Dialektdichter Andreas Moritz (1768 - 1831)
4) Hebräisch-jiddische und rotwelsche Ausdrücke im Eichstetterischen
Hebräisch-jiddische und rotwelsche Ausdrücke im Eichstetterischen (PDF-Datei)